Was befindet sich hinter den großen, fast immer verschlossenen Eingangsportalen der mallorquinischen Häuser? Wozu wird eigentlich das Rebhuhn-Fest gefeiert? 

Welches schreckliche Geheimnis birgt der tiefe Adler-Brunnen?

Wir begegnen der redseligen Maria Antonia, die die Oper liebt, dem wortkargen Kellner des Jahrhundertwende-Cafés Colón, einem Bibliothekar, der seinen Goldfisch zu Rate zieht und dem Bücherretter Señor Torres. Ich lerne Pepe kennen, den Betreiber einer der letzten Mandelmühlen der Insel. Was macht Antonia mit ihrer reichen Zitronenernte und warum ist die Quelle im Dorf Pina ein meditativer Ort?

Ich erfahre von einem Pfarrer, der jeden Sonntag ein Foto-Studio betrieb und sein Dorf porträtierte, dem Philosophen Raimundus Lullus, der in einer Höhle des Berges Randa meditierte und den Computer vorausdachte. Es gab den vom Fliegen besessenen Bauernsohn, der den ersten Helikopter entwickelt – die Insel Mallorca hat besondere Charaktere und außergewöhnliche Geschichten hervorgebracht.

Es waren zunächst kurze Notizen, die sich häuften in meinem Heft, das ich immer dabei hatte. Merkwürdiges, Gespräche oder das Aufblitzen einer Geschichte – ich sammelte, was mir begegnete wie Muscheln am Strand. „Wir Mallorquiner sind verschlossen.“ sagte man mir – umso neugieriger wurde ich.

Sabine Belz hat hinter die Türen und in die Tiefe der Insel Mallorca geschaut, persönliche Geschichten aufgespürt und diese über die Jahre zusammengetragen. Sie ermöglichen einen außergewöhnlichen und intimen Blick in ein inneres Mallorca, das den Besuchern zumeist verschlossen bleibt.

Im Zentrum dieser Geschichten steht das Landstädtchen Llucmajor im Süden der Insel Mallorca. Sabine Belz stellt uns einen Bibliothekar mit seinem Goldfisch vor, den Betreiber der letzten Mandelmühle im Ort, den Kellner des Jahrhundertwende-Cafés Colón und die Opernliebhaberin Maria Antonia. Wir hören von dem Erfinder des ersten Helikopters und erfahren, was Frédéric Chopin zu seinem Mallorca-Aufenthalt zu sagen hatte, der den Ort Valldemossa weltberühmt gemacht hat. Das Buch führt uns in den idyllischen Ort Pina und auf den Berg Randa, wo wir einem frühen Vordenker des Computers begegnen.

Sabine Belz lebte viele Jahre in verschiedenen Ländern Europas, außerdem in Korea und China. Bereits erschienen ist ihr Buch „Tausend Meilen unter meinem Fuß – ein Jahr im China von gestern“, ebenfalls im Engelsdorfer Verlag, ISBN978-3-96145-355-9

Alle Geschichten als Buch:

„Das Lächeln von Llucmajor. Geschichten aus dem tiefen Mallorca“. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, ISBN 978-3-96940-264-1. 11,00 €

Inhaltsverzeichnis:

Der Kellner vom Café Colón

Vielleicht ist er gar kein Spanier. Er ist verschlossen, ernst, ja, vielleicht eher deprimiert, dazu gross und schlank, fast mager. Ich schätze ihn auf Mitte Dreissig, knapp Vierzig. Als Kellner ist er immer sachlich und korrekt, sein Verhalten ändert sich niemals, bleibt dienstlich. Zusätzliche, quasi-private Floskeln leistet er sich nicht – das würde seine Arbeit irgendwie persönlich färben. Es fehlt die Eingangsfrage „wie gehts?“,  und Zusätze wie „cariño“ oder „guapa“….verwendet er  auch nicht, wie seine Kollegen es gern tun zur Aufhellung der Arbeit bei regelmässigen Gästen. Kommt er aus einem anderen Teil Europas und ist deswegen  – da hier in der Fremde – eher still und in sich gekehrt? Eine traurige Vorgeschichte? Oder eine unglückliche Liebe? Oder einer der seltenen Einheimischen mit melancholischer Veranlagung?

Undenkbar, ihm solche Fragen zu stellen, der Abstand ist klar signalisiert: nichts Privates.

Er liebt es, wenn das Café voll ist und viel zu tun. Sitzen nur wenige Gäste im Café und man fragt ihn, wie es geht, antwortet er: Ich laufe hier so herum. Offensichtlich kein Zustand, den er schätzt.

Es gibt allerdings bestimmte Gelegenheiten, da verändert sich sein Verhalten: wenn er junge Frauen oder Mädchen bedient oder diese vorbeigehen und ihn grüssen. Dann lächelt er, macht fröhliche Bemerkungen. Oder wenn man ihn nach den sauren Nieren fragt, die immer hier zu haben sind. Diese liebt er auch, sagt er. Nickt und lächelt. Wenn ich etwas zu trinken bestelle, fragt er nach: Noch etwas? Meist bestelle ich dann noch etwas dazu, zum Beispiel das köstliche Brot mit Tomate (Pa mb oli, ausgesporchen: pamboli). Früher habe ich nachbestellt, das schätzt er nicht, seitdem fragt er gleich nocheinmal nach. Nickt und lächelt. Trinkgeld bewirkt nicht viel, er nimmt es und bedankt sich, sachlich, angemessen. So kann man ihm nicht beikommen, er ist nicht käuflich. 

Selten sieht man ihn ausserhalb des Cafés, dann spaziert er zuweilen mit einer jungen Frau an der Hand über den Platz. Oder aber er sitzt allein vor seinem Café – wie ein Gast. Vor ihm stapeln sich mehrere Zigarettenpackungen und ein Kaffee steht daneben. Fragt man ihn, ob er Urlaub habe, grinst er und schüttelt den Kopf: nein, Nachmittagsschicht. Er scheint sich auf die Arbeit zu freuen. 

Das Café ist „sein“ Ort. Ist er nicht im Dienst, bleibt er in der Nähe. Selten sitzt er dann in einem der anderen Cafés oder einer Bar am Platz. Er gehört ins Colon, dort läuft er Tag für Tag seine Kilometer von drinnen nach draussen und zurück. Wenn Zeit ist, giesst er die Pflanzen mit einer kleinen grünen Giesskanne, aber mit abwesendem Blick. Der schweift über die kaum besetzten Tische nach Gästen suchend. Manchmal steht er neben dem Eingang und raucht. Wenn nicht viel los ist, raucht er viel. Er hat immer mehrere Zigarettenpäckchen neben der Kasse liegen.

Er ist aufmerksam und zuverlässig. Allerdings: Je weniger Gäste, desto weniger aufmerksam wird er, ja, dann vergisst er sogar manchmal etwas – die Konzentration lässt nach. Dann entschuldigt er sich, aber auch mehr der Form halber. Liebt er seinen Beruf? Liebt er seine Gäste?

Ohne sie, so scheint es, weiss er nicht, wohin er gehört. Dann sitzt er vor dem Café oder er umkreist es spaziergehend, bis er wieder Dienst hat. Er ist der Kellner vom Café Colon.

PS : Das „Café Colon“ ist ein 1928 gegründetes Restaurant im Stil des „Modernisme“ im Zentrum des Ortes Llucmajor, an der Plaza Espanya. Damals und bis in die 70er Jahre lebte Llucmajor von der Schuhindustrie; es gab rund 60 mittelständische Werkstätten mit insgesamt rund 6000 Angestellten. Aus dieser Blütezeit existieren in Llucmajor bis heute zahlreiche Gebäude des „Modernisme“; das Café Colon ist eines der  bemerkenswertesten.

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Nachbarn

Hinter der Tür

Die Zitronen von Antonia

Señor Torres oder Die Entdeckung des Felisberto Hernandez

Das Telefon in der Strohhut-Fabrik

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Entdeckung beim Kaffee: der Maler Morlà

Heute betrat ich endlich das Café am Stadtrand, das mir schon mehrfach empfohlen wurde. Es lag an der vielbefahrenen Umgehungsstrasse; ich hatte es bisher nur im Vorbeifahren wahrgenommen und nicht weiter beachtet. Der Raum war groß, grösser, als ^von aussen zu vermuten und bot an verschiedenen Tresen Süsses und Deftiges. Ausserdem hatte es eine grosse Auswahl von Zeitungen! Ich suchte mir einen Tisch am Fenster.

Während ich eine Tageszeitung durchblätterte und auf meinen Kaffee wartete, schweifte mein Blick herum und blieb an der Wand gegenüber hängen: dort prangte ein grosses, goldgerahmtes Ölgemälde einer Landschaft, souverän gemalt, vermutlich eine gute Kopie oder ein Druck. Der Eigentümer hatte offensichtlich Sinn für gute Malerei. 

Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich, dass es sich um ein Original handelte, ein Gemälde von hoher Qualität – ungewöhnlich und überraschend an diesem Ort. Vielleicht malte ja der Bäcker selbst und war „eigentlich“ Maler? Das wäre nicht überraschend auf dieser Insel, kannte ich doch schon einen Schuster, der sich „eigentlich“ als Musiker und Dichter sah, einen dichtenden Mediziner etc.. Aber ein malender Bäcker auf solchem Niveau?…………………………

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Schnee

Tomàs Monserrat, Pfarrer und Fotograf, porträtiert seinen Sprengel

Maria Antonia

Visionär oder Phantast? Pere Lopez Obrador, der betrogene Erfinder des Helikopter

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Wenn das Rebhuhn ruft….

Jedes Jahr am ersten Dezember-Sonntag verwandelt sich die eher kleine Plaza Mayor des Hügelstädtchens Montuiri in der Mitte der Insel Mallorca zum Austragungsort für den ungewöhnlichsten Wettstreit der Insel: der Rebhuhn-Balzruf-Wettbewerb, genannt das Rebhuhn-Fest. Der schönste Balzruf soll prämiert werden und mehrere Dutzend Rebhühner, nein -hähne werden von ihren Züchtern in Konkurrenz präsentiert. Gefeiert wird mit allem, was auf Mallorca dazugehört: tapas, Wein und Volksmusik!……………………………….

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Chopins Weste

Valldemossa Cha-cha-cha

Ein Brunnen auf Mallorca

Vor der Höhle von Ramon Llull

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Bewahrt in einem Bankschliessfach in Palma: die Tagebücher des Harry Graf Kessler

An einem Frühlingstag im Jahr 1983 öffnete ein Bankangestellter in Palma de Mallorca ein Schliessfach, dass nach 50 Jahren abgelaufen war. Niemand hatte in der Zwischenzeit nach dem Inhalt gefragt. Das Schliessfach enthielt mehrere Dutzend in Saffianleder gebundene Hefte, eng beschrieben in kleiner regelmässiger Schrift in schwarzer Tinte und nicht auf Spanisch. Die Filiale in Palma entschied sich, diese Aufzeichnungen an die Zentrale in Madrid zu schicken und sie nicht sofort wie eigentlich üblich zu entsorgen. Eine weise und weitsichtige Entscheidung, denn in Madrid machte man sich tatsächlich die Mühe, eine Spur zum Autor dieser Aufzeichnungen zu finden – und fand sie.

Es handelte sich um Tagebücher des Harry Graf Kessler, der von 1933 bis 1935 auf Mallorca in einem Vorort von Palma gelebt hatte und diese Hefte vorsorglich und in der Annahme, er käme zurück, dort deponiert hatte. Er kehrte jedoch nie zurück; die Tagebücher ruhten sicher 50 Jahre lang bis zum Ablauf des Mietvertrages.  ………………….

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Der Leser in Pina

auf der Plaza